Dez 06
Der Beginn
Bereits zu Beginn meiner Schwangerschaft musste ich erfahren, was eine unangenehme Schwangerschaft bedeutet. Ich war täglich mit Übelkeit geplagt und hatte gegen jede Mahlzeit und jedes Getränk einen enormen Ekel entwickelt. Mir war bis dato nicht mal bekannt, dass man einen solchen Ekel überhaupt entwickeln kann. Da ich kaum Nahrung und Flüssigkeit zu mir nehmen konnte und dass, was ich ich zu mir nehmen konnte, wieder erbrechen musste, war ich gezwungen Infusionen zu bekommen. Anfangs erfolgte dies nach Bedarf beim Arzt, bis dieser mich dann ins Krankenhaus einwies. Nach dem Krankenhausaufenthalt konnte ich eine stetige Besserung spüren. Bis heute verspüre ich das morgentliche Erbrechen und die andauernde Übelkeit – jedoch nicht mehr vergleichbar mit dem Beginn der Schwangerschaft.
Ab dem 30.11.2009 sollte dies meine kleinere Sorge sein.
An diesem Tag brach für uns eine Welt zusammen!!!
Seit einigen Wochen fiel meinem Frauenarzt bei den Ultraschalluntersuchungen immer wieder auf, dass der Magen unseres kleinen Wurms immer leer war. Dies bedeutete er hat kein Fruchtwasser geschluckt.
Noch machte sich weder mein Frauenarzt noch ich Sorgen, da alle Organe und Gliedmaßen voll entwickelt und keinerlei sonstige Auffälligkeiten zu sehen waren. Jedoch dokumentierte er alles in seiner Akte und wollte mich dann in immer kürzeren Abständen zur Ultraschalluntersuchung sehen.
Beim vorletzten Besuch war der Magen wieder leer und es erhob sich der Verdacht auf vermehrtes Fruchtwasser.
Dies bestätigte sich beim letzten Arztbesuch und daraufhin überwies er mich in die Uniklinik nach Frankfurt. Die Ärzte dort sind auf Ultraschalluntersuchungen spezialisiert.
Da mein Arzt mir jegliche Angst nahm und meinte er möchte nur sicher gehen, dass alles in Ordnung ist, machte ich mir bis dato noch wenig Gedanken.
Ich fuhr also am 30.11.2009 nach Frankfurt und stellte mich dort in der Ultraschallabteilung vor. Nach etwa 1 1/2 stündiger Wartezeit wurde ich zur Untersuchung aufgerufen.
Dort wurde ich per Ultraschalluntersuchung komplett auf den Kopf gestellt. Jermaine wurde von Kopf bis Fuß geschallt und vermessen - inklusive aller Organe.
Auch hier vor Ort stellte der Arzt einen leeren Magen sowie eine erhöhte Menge Fruchtwasser fest – woraus er die Diagnose Ösophagusatresie ableitete. Doch um sicher zu gehen musste ich nochmals einen Moment im Wartezimmer Platz nehmen und wurde von einer weiteren Ärztin untersucht.
Auch Sie stellte mich bzw. Jermaine per Ultraschall nochmals auf den Kopf und führte noch etwas genauere Messungen (wie Nabelschnurdurchblutung, Herztöne etc.) durch. Daraufhin diagnostizierte auch Sie Ösophagusatresie. Da Sie sicher gehen wollte, besprach Sie sich nochmals mit dem Chefarzt und schickte mich auf dessen Anraten für 20 Minuten spazieren, um danach nochmals bei Ihm persönlich vorzusprechen.
Diese 20 Minuten alleine waren für mich eine totale Qual. Ich stand total unter Schock und konnte nicht einmal richtig realisieren, was die Ärzte mir soeben diagnostiziert haben. Mir liefen die Tränen und ich rief Timmy an, um ihn gleich zu informieren.
Nach 20 Minuten wurde ich dann persönlich vom Chefarzt nochmals geschallt und die Diagnose sollte sich bestätigen – unser Baby hat eine Ösophagusatresie. Da Säuglinge mit dieser Missbildung zu 55% noch weiter Fehlbildungen wie beispielsweise einen Herzfehler haben, sollte noch eine Fruchtwasserpunktion durchgeführt werden um eventuelle Chromosomenfehler zu erkennen. Als ich den Informationsbogen zum Lesen und anschließendem unterschreiben bekam, zitterte ich nur noch am ganzen Körper und mir war schon wieder zum Weinen zumute.
Auf der Liege wurde mein Bauch dann aureichend desinfiziert und ich wurde mit einem Tuch abgedeckt. Die Punktion wurde vom Chefarzt persönlich durchgeführt. Er versuchte mir die Angst zu nehmen indem er sagte: ” Ich verspreche Ihnen, weder Ihnen noch dem Baby weh zu tun”. Ich zitterte trotzdem am ganzen Körper, denn immerhin bedeutet so ein Eingriff schon, dass eine Infektion zum Kind getragen, frühzeitige Wehen ausgelöst werden oder aber die Fruchtblase platzen kann. Dann zog er die etwa 10cm lange Nadel und stach sie mir unter Kontrolle des Ultraschall durch die Bauchdecke und Fruchtblase. Seine Assistentin zog dann 2 Ampullen mit Fruchtwasser ab. Ich konnte auf dem Ultraschall genau erkennen wo mein Baby liegt und wo sich die Nadel befand. Vom Baby war er weit genug entfernt und der Einstich war auch nicht schlimm – trotzdem etwas unangenehm.
Nun wurden die Proben ins Labor geschickt. Mir wurde gesagt, dass ich am 01.12.2009 nachmittags bezüglich der ersten Untersuchungsergebnisse anrufen kann. Bis dahin sollte der FISH-Test durchgeführt werden (Dies ist ein Schnelltest der Fruchtwasseruntersuchung bei dem die 4 häufigsten Chromosomenfehler wie Trisomie 13, 18, 21 und die Chromosome X bzw. Y untersucht werden).
Nun machte ich mich auf den nach Hause weg. Bis heute weiss ich nicht genau, wie ich nach Hause gekommen bin. Ich kann mich nur daran erinnern, dass ich die ganze Fahrt lang unter Schock stand, noch immer nicht begreifen konnte/wollte, dass mein Kind krank zur Welt kommen wird und weinte.
Die Zeit des Wartens begann. Timmy und ich waren nur noch fertig und es waren die schrecklichsten Stunden unseres bisherigen Lebens.
Als ich am 01.12.2009 nachmittags anrief, wurde mir mitgeteilt, dass noch keine Laborergebnisse vorliegen und ich solle morgen vormittag nochmal anrufen. Die Zeit verging so unheimlich langsam und wir drehten fast durch. Ich war nicht mehr ich selbst ich taumelte zwischen Heul-Phase und Schock-Zustand vor mich her und alles war wie in einem schlechten Traum.
Endlich war der Morgen des 02.12.2009 angebrochen und ich wartete nervös, bis ich in der Uni anrufen konnte. Heute teilten sie mir mit, dass der Fish-Test nicht ausgewertet werden konnte – dies aber nichts negatives bedeuten würde – und ich bitte am Nachmittag nochmals anrufen soll. Ich dachte mir nur noch, dass kann doch jetzt nicht wahr sein, warum werden wir so auf die Probe gestellt und gequält.
Wieder begann eine schreckliche Zeit des Wartens für uns, bis ich am Nachmittag wieder anrufen konnte. Nun wurde mir erneut mitgeteilt, dass noch keine Ergebnisse vorliegen und sie nochmals mit dem Labor telefonieren und mich gleich zurückrufen. Die Minuten kamen mir wie Stunden vor und meine Gefühle gingen mit mir durch.
Endlich kam der Rückruf und mir wurden die ersten Laborergebnisse mitgeteilt – die Werte sind alle in Ordnung. Mir fiel ein Stein vom Herzen und ich war erstmal erleichtert!!! Die Arzthelferin versuchte mir die Angst von den weiteren Testergebnissen zu nehmen und meinte: “Die weiteren Laborergebnisse kommen zwischen dem 10. und 14.12.2009, bei denen dann alle weiteren Chromosomen auf eventuelle Fehler untersucht werden. Wir rechnen jedoch nicht damit, dass hier eine Auffälligkeit auftritt, da die Ösophagusatresie eine Missbilung ist die äußerst selten auf Chromosomenfehler zurückzuführen ist. Von einem Herzfehler gehen wir auch nicht aus, da Sie von den Ärzten ausführlich geschallt wurden, uns durch das vermehrte Fruchtwasser eine sehr gute Schallvorraussetzung gegeben war und keinerlei Auffälligkeiten hierfür zu erkennen waren.” Dieses Gespräch beruhigte mich etwas und ich informierte Timmy auf direktem Weg. Auch ihm fiel ein Stein vom Herzen!!!
Trotz alledem ist es für uns nicht einfach zu wissen, dass unser kleiner Liebling krank zur Welt kommen wird. Aber wir sind beruhigter und hoffen nun darauf, dass er nicht doch noch weitere Fehlbildungen hat. Wir haben uns bisher schon ausführlich über die Ösophagusatresie informiert und wissen, dass eine schwere Zeit auf uns zukommen wird, Jermaine jedoch, wenn keine weiteren Fehlbildungen auftreten und die Operation nach der Geburt erfolgreich verläuft vielleicht in 2-3 Jahren ein “normales” Leben führen kann. Zudem ist unser Vorteil, dass wir es schon jetzt erfahren haben, sodass ich zur Entbindung gleich in eine Spezialklinik gehen kann und Jermaine direkt nach der Geburt von Fachpersonal betreut wird. Leider kann man erst nach der Geburt feststellen (indem Jermaine geröntgt wird) welcher Typ der Ösophagusatresie vorliegt und ob diese mit 1 Operation behoben werden kann.
Am 18.12.2009 haben wir einen Termin mit dem Kinderchirurgen, der Jermaine vorraussichtlich operieren wird. Er wird uns dann genauer über die Operation aufklären.
Es ist noch eine lange Zeit bis wir die endgültigen Laborergebnisse erhalten und wir den Termin bei dem Professor haben, doch wir haben keine andere Wahl als abzuwarten und Kraft zu sammeln.
Nach schlimmen Tagen und Nächten ohne Schlaf sind wir mittlerweile sehr optimistisch, dass alles gut verlaufen und Jermaine gesund wird. Wir werden kämpfen und den Kampf gewinnen!!!
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